30. Oktober 2010

die Beziehung Claudy-Mexiko

Es liegt eine echt anstrengende Woche hinter mir und ich bin mal wieder am zweifeln, ob ich es hier noch länger aushalte…

ich dachte ja, ich wüsste so n bissel wie Lateinamerika funktioniert... aber Pustekuchen! die Mexikaner sind ganz anders als die Ecuadorianer, die die Megapolis Mexiko-city anders als das Städtchen Riobamba und Praktikum anders als Freiwilligendienst. 

Es ist so krass, was für ein Gefühlschaos ich hier erlebe! Hoch und Tiefs wechseln sich so schnell und intensiv ab, wie auf der Achterbahn…
Deshalb habe ich gestern beschlossen, mal einen Gang zurückzuschalten, mich nicht mehr so zu überfordern, sondern ein bissel zu chillen und dieses verrückte Chaos hier zumindest ansatzweise zu genießen...

[mal sehen, wann ich wieder anderer Meinung bin...]

La Ciudad de Mécixo


Mexikocity-- ein Monster, das keiner mag, wo aber alle hin wollen.  Ein unvorstellbares Chaos, das aber funktioniert. Ein Ort voller Gegensätze, Widersprüchlichkeiten und Wunder. Wunder, weil das Unmögliche möglich wird: 22 Millionen Menschen werden mit Wasser, Nahrung, Strom und Gas versorgt, ein unglaubliche Vielzahl von Autos ist auf einer verwirrenden Anzahl von Schnellstraßen, Autobahnen, Hauptstraßen, Umgehungsstraßen etc. unterwegs, es gibt ständig Stau und trotzdem regt sich keiner auf. Es gibt keinen Plan, geschweige denn Abfahrtszeiten für die öffentlichen Verkehrsmittel und trotzdem kommt man damit super von A nach B. Die metro ist eigentlich immer gerammelt voll, aber keiner schimpft über den, der sich noch rein quetscht, obwohl echt kein Platz mehr ist… 

In MexikoCity wird die Mentalität der Mexikaner sehr deutlich: sie haben die seltsame Fähigkeit, widersprüchliches zu vereinen. Viele Mexikaner werden durch traurige Musik glücklich, essen Süßes mit Chili, sind superpatriotisch und ahmen die USA trotzdem nach, feiern mit den Toten etc.

22. Oktober 2010

4 Wochen Mexiko - wow, wie die Zeit vergeht!

Ich würde nicht behaupten, dass ich mich in die Stadt verliebt habe, aber ich komme zumindest mit ihr zurecht. Die Beziehung Claudia-MexikoCity hat sich von „Angriff auf voller Breite“ zu „Waffenstillstand“ entwickelt… Das heißt, ich habe einen Tunnelblick zur Rush-hour, nutze wenig die metro und bin nicht gar so viel im Zentrum unterwegs.

Obwohl ich das Zentrum vermeide und nicht auf Sightseeing-Tour gehe, bin ich im Großen und Ganzen eigentlich recht viel unterwegs… Das heißt, ich verbringe wenig Zeit in meiner WG und viel… überall sonst. Das liegt a) an meiner Arbeit, b) am Klimagipfel und c) an den Latinos…

In wenigen Worten: es ist stressig, macht aber Spass!


>Praktikum im Instituto de Geofísica, UNAM<
Der Plan für mein Projekt war ja, dass ich den Einfluss des Rückgangs der Gletscher erforsche. Aber, Pläne ändern sich auch schnell mal, und so bin ich jetzt vor Allem damit beschäftigt, herauszufinden, wer im Gebiet des Iztaccihautl und des Popocatepetl (die Vulkane, auf denen Gletscher sind/waren) arbeitet. Dazu besuche ich die Wissenschaftler, die eigentlich in der ganzen großen Stadt und auch außerhalb verstreut sind, und versuche herauszufinden, ob sie noch andere kennen, die da arbeiten und welche ihrer Studien für uns (Gletscherforscher) relevant sind. Die Daten gebe ich dann in eine Datenbank ein, die irgendwann mal im Internet zu sehen sein soll.

Um mal hier kurz die Bedeutung meiner Arbeit zu erläutern: die Gletscher Mexikos sind zwar klein, aber äußerst interessant, weil man an ihnen praktisch den Einfluss des Klimawandels im Zeitraffer und in Miniaturausgabe nachvollziehen kann: es wird lokal (Megastädte) und global (Treibhauseffekt) wärmer. Dadurch schmilzt der Gletscher, und es kommt zu Veränderungen im Wasserhaushalt und im Lokalklima. Dadurch wiederum werden Tiere und Pflanzen, aber auch Landwirtschaft und Bodenbildung, Tourismus und Wasserwirtschaft beeinflusst. Es kommt wahrscheinlich  zu Migration von Dörflern in die Stadt und von Flora und Fauna den Berg hinauf, dem Gletscher hinterher. So werden nicht nur die dörflichen Kulturen, sondern auch die (teilweise endemischen) Hochgebirgsökosysteme verändert und verdrängt.
Wenn wir also am Schluss eine einigermaßen vollständige Datenbank mit Studien aller relevanten Wissenschaftsdisziplinen haben, können wir fachübergreifend den Einfluss des Klimawandels in Zentralmexiko beschreiben, Zukunftsszenarien erarbeiten und versuchen den schlimmsten Entwicklungen entgegenzuwirken. (Logisch, dass ich nur den Anfang mache…)

Was ich also an meinem Praktikum mag ist, dass ich Einblick in die verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen bekomme, dass ich die Welt der Wissenschaft (und ihre Probleme) kennenlerne, dass ich viel unterwegs bin, dass ich nette Kollegen habe, dass es sinnvoll ist und dass ich mir die Zeit selbst einteilen kann.


>mein Ziel: COP16<
Für alle, die es noch nicht wissen: vom 29.November bis 14. Dezember findet in Cancún, Mexiko der diesjährige Klimagipfel statt. (auch COP16 (16. Conference of the Parties nach dem Inkrafttreten des Weltklimaabkommens der UN) Schnell war’s damals ausgesprochen, langsam hat sich die Idee in meinem Kopf festgesetzt: Ich geh hin! Ich werde am Klimagipfel teilnehmen. Mein großes Ziel ist es natürlich, mir die offizielle COP anzuschauen, aber das scheint eigentlich unmöglich zu sein. Die Idee ist ja  auch völlig verrückt: kleines deutsches Mädchen will Obama die Hand schütteln… Aber, wie ich so bin; die Hoffnung stirbt zuletzt! Ich werde bis zum 14.12. alles mir mögliche probieren, um doch wenigstens einen Blick auf die Verhandlungen werfen zu können!!

Wenn man sowas also erreichen will, darf man nicht untätig sein. Das heißt, ich bin aktiv und treffe mich mit den verschiedensten Leuten, um über das Thema zu reden und mehr Infos zu bekommen etc. Dabei hat sich Luc, mein lieber zerstreuter kanadischer Astrophysiker, zu einem echten Mitkämpfer entwickelt. Er hilft mir, Leute kennenzulernen, wir gehen gemeinsam zu Treffen und vor allem kann ich mit ihm über das Thema diskutieren. Er interessiert sich immer mehr für das Thema Umweltschutz und Klimawandel und zückt alle Register, um mehr zu erfahren und selbst aktiv zu werden. Irgendwie sind wir ein echt tolles team ;)
Bis jetzt habe ich vor Allem Klimaforum10 kennengelernt, eine Gruppe Mexikaner, die von den Dänen unterstützt wird, um Raum für verschiedene NGO’s zu schaffen und die logistische Arbeit übernimmt. Mitten im Dschungel auf einem Polofeld wird sich also eine Art Klimagipfel-festival abspielten. Ein alternativer Gipfel mit vielen verschiedenen Gruppen, die ihre Ideen, Ideologien, Projekte, workshops etc. vorstellen.

Ausserdem wird es einen anderen Raum für „via campesina“ geben. Via campesina ist eine internationale Bewegung von Kleinbauern und Landarbeitern. Unter ihrem Dach sind lokale Interessenvertretungen zusammengeschlossen. Sie und andere werden wiederum in Cancún direkt Kampagnen starten, Workshops organiieren, demonstrieren etc. ANAA (Dachverband lokaler Bürgerinitiativen mit Bezug zu Umweltproblemen) organisiert zB. eine Karavane von den internationalen Flughäfen nach Mexiko-Stadt zu einer Demo und dann von dort nach Cancún. Unterwegs wird es Stopps an Stellen mit besonders krassen Umweltproblemen geben. Für mich hört sich dieses Programm superinteressant an. Da bvin ich auf jeden Fall dabei!


>Land&Leute<
 





Hmmm, und dann sind diese verdammt netten Latinos noch daran Schuld, dass ich hier einfach nicht zur Ruhe komme… Ich werde ständig irgendwohin eingeladen, ständig ist jemand bereit mir etwas zu zeigen und ständig werde ich darüber informiert, was ich mir unbedingt anschauen muss… Es ist also genau so, wie ich es liebe J Ich lerne das Land und seine Bewohner kennen und bekomme die „echte“ mexikanische Kultur zu sehen... Wobei die mexikanische Kultur so vielfältig ist, dass man sie eigentlich gar nicht kennenlernen kann. Aber ich bekomme zumindest einen Eindruck vom Durchschnittsmexikaner aus D.F. (Destrcto Federal; Hauptstadtbezirk).

Ich habe bisher die Ruinen der Aztekentempel in Tepoztlan und hinter der Kathedrale kennengelernt, verschiedene Teile der Stadt gesehen und bin etwas gereist: nach Tulancingo und Pachuga (Fußballspiel, Familientreffen) und nach Amecameca (Arbeit). Ich kann inzwischen also sagen, dass Mexiko echt schön ist- vor Allem außerhalb der Stadt.

6. Oktober 2010

Ankommen in Mexiko

Mein erster Eindruck von Mexiko: eine Mischung aus Ecuador und Deutschland mit vielen Menschen, vielen Autos, viel Beton

Aber der Reihe nach....

                         1.  Szenenwechsel: Wiedersehen in Ecuador // Praktikum in Mexiko-city
Wieder in Ecuador zu sein habe ich echt genossen! Ich weiß, wie die Welt da tickt, ich kenne mich aus, habe Familie und Freunde. Die Zeit war unglaublich schön; als ich dann im Flugzeug saß, und der Flieger abhob flogen wir nur knapp über den Häusern entlang und mir wurde nicht nur überdeutlich bewusst, wie gern ich dieses Land und seine Bewohner habe, sondern auch, dass es kein Abschied für immer sein würde. Trotzdem habe ich im gleichen Augenblick angefangen, alles zu vermissen, was da unter mir vorbeizog- Flickenteppichfelder, schneebedeckte Vulkane, Märkte und kleine Dörfchen.


El Altar
Las Lagunas de Ozogoche
Als wir durch die tiefhängenden Wolken flogen und dann im strahlenden Sonnenschein durch die Lüfte schwebten hörte ich ziehmlich schnell  auf, mir eine erträgliche Schlafposition zu suchen: ich suchte stattdessen den Fotoapparat, denn was sich meinen bis zu diesem Moment dreiviertelst geschlossenen Augen da bot war einmalig: im frühen Sonnenschein glänzten die Gletscher aller Vulkane Ecuadors!  Wow!  Wahnsinn! Einen Augenblick später hatte ich das Gefühl, wenn ich die Hand aus dem Flugzeugfenster strecke, fasse ich direkt in den Krater des Cotopaxi, so nah flogen wir über den rauchenden Vulkan hinweg. Es folgte der Altar und einige wie mit Staubzucker bestreute Bergketten. Und –beinah das Highlight- die Ozegoche-Seen, ein Seengebiet, das ich schon immer sehen wollte, wo ich aber noch nie hingekommen bin.  Zumindest aus der Luft betrachtet ist es tatsächlich so traumhaft auf einem Bergplateau gelegen, wie alle immer sagen! Es folgten in goldenes Sonnenlicht getauchte Bergketten und schließlich die kahlen trockenen, aber doch irgendwie faszinierenden Hochgebirge Perus. Ich bin mir nicht ganz sicher: aber hab ich nicht sogar die Linien von Nazca gesehen?
Schon lange vor der Landung fragte ich mich, wie viele große Städte in Mexiko eigentlich so nah beieinander liegen: Das Lichtermeer wollte einfach nicht aufhören! Aber es ist eine einzige monströse Stadt, die einfach kein Ende nimmt. Sie verschluckt jeden, der nicht genau aufpasst, wo sein Weg entlangführt… Zum Glück hat das Monster mich nicht gleich verspeist, denn Pancho (ein Freund aus Ecuador, der jetzt hier verheiratet ist) und seine Frau Margarita holten mich vom Flughafen ab. Sonst hätte ich schon den Ausgang nicht gefunden…
Gleich am nächsten Morgen machte ich mich dann (begleitet von Margarita) auf den Weg zur Uni. Besser gesagt zur UniversitätsSTADT. Das Gelände, auf dem sich Teile der UNAM und einiger anderer Unis befinden ist ungefähr doppelt so groß wie Eberswalde! Es gibt einen Naturpark, ein Olympiastadium, Museen, Weltkulturerbestätten, unzählige Fakultäten und Institute, Bibliotheken und Verwaltungsgebäude. Wie überall in Mexico-city gibt es viel Verkehr und viele Menschen. Aber im Gegensatz zu anderen Teilen der Stadt auch recht viel Grün. 
Am Anfang habe ich bei Margarita und Pancho in Iztapalapa gewohnt. Anderthalb Stunden in der gequetscht vollen Metro (eine Sardinenbüchse ist kein Vergleich!) waren allerdings nicht so der Hammer und ich bin froh, schnell ein Zimmer in der Nähe der Uni gefunden zu haben. Hier wohne ich jetzt recht ruhig, direkt an einem lebhaften, sehr interessanten Markt und der Weg nach Hause hat sich um eine Stunde verkürzt. Der Weg zur Uni variiert allerdings aus noch immer unerfindlichen Gründen täglich. Irgendwie muss ich mich da nochmal schlau machen…
Tja, was mache ich hier eigentlich? Also, der Plan ist, dass ich verschiedene Leute kontaktiere, die Studien zum Rückgang der Gletscher machen, mir anschaue, was sie genau erforschen und … naja evtl. was das insgesamt bedeutet. Vielleicht kann ich auch noch was über die internationale Struktur der Wissenschaft und ihre Verknüpfung zur Politik lernen. (Stichwort Klimagipfel) Ja das ist der Plan… Aber besonders in Lateinamerika ändern sich Pläne ja ab und an mal… Auf alle Fälle lerne ich ein Großstadtleben mit  Job an der Uni kennen und vermisse mein Eberswalder Studentendasein. 
                  
            2.  Bilanz der ersten Woche
Der Verkehr und die Menschenmassen stressen mich tierisch, ich finde die Stadt viel zu groß, zu laut und zu verwirrend. Ich mag es nicht, wenn ich vor lauter Abgasen kaum atmen kann und wenn es nach fauligem Wasser riecht. Ich frage mich regelmäßig, wie ich um Himmels Willen fünf Monate hier aushalten soll und wer danach die Nervenheilanstalt bezahlt…
Aber natürlich sehe ich auch gelegentlich etwas Positives: Es gibt ein Mexiko außerhalb der Stadt.
Das, und: Das Essen ist lecker, das Wetter ist fantastisch, die Mexikaner sind unglaublich freundlich, es gibt wahnsinnig viel zu sehen, zu entdecken und auszuprobieren und es gibt auch echt nette, stille Eckchen. Unglaublich dieses Gefühl, vor dem großen Rektorat der UNAM zu stehen! Viele, wirklich viele Studenten wuseln herum und irgendwie liegt diese akademische Stimmung in der Luft. Ich kam mir in diesem Moment vor wie Frau von Welt… studierte Leute um dich rum, eine riesige Bibo vor der Nase und die große Mexikofahne über mir…
Ich in dieser Monsterstadt-ich weiß nicht, ob das gut geht. Oft glaube ich nicht daran. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt ;)