5. März 2011

Ich habe die Zeit hier gehasst… und geliebt…


In den letzten Tagen habe ich mich schon von einigen Freunden, von Kollegen und vom Nationalpark verabschiedet. Manchmal weiß ich dabei echt nicht, was ich fühlen und denken soll ^.^ 

Feierabendverkehr DF
irgendwo in DF
Popocatépetl 

Verdammt ja, ich werde diese verrückten Mexikaner vermissen! Irgendwie habe ich gelernt,  diese Kultur der Widersprüche zu mögen… wo sonst findet man arm und reich, Schmerz und Freude,  Süße und Schärfe, Moderne und Tradition, Hass und Liebe so eng zusammen? Das Ding ist, hier ist es meistens nicht nur eng beieinander, sondern ziemlich stark vermischt… 

Ich habe die Zeit hier gehasst; die vollgestopfte metro, der Stau, der Stress und der Lärm haben mir mehr als einmal den letzten Nerv geraubt! So manche Stunde habe ich damit verbracht, mir zu überlegen, wie ich dieses Praktikum am besten abbreche, wie ich aus der Stadt wegkomme und wie ich endlich was lerne, was ich für’s Studium gebrauchen kann!
Gleichzeitig habe ich die Zeit hier geliebt; die wunderbar offene Mentalität der Mexikaner, die Möglichkeit, jeden Tag etwas Neues zu entdecken, das Essen, das Wetter, die Sprache. Mehr als einmal habe ich Pläne geschmiedet, um noch länger hier zu bleiben, Reisen zu machen und mein Projekt ordentlich zu Ende zu bringen. Ich habe die Freiheit und die Vielzahl der Möglichkeiten genossen und jedes Mal gestaunt, wenn ich wieder ohne Probleme alle Pläne umschmeißen konnte.





Ich glaube, am Ende hat mich die Widersprüchlichkeit meiner Erfahrungen dazu bewogen, zu bleiben. Das Einzige was immer sicher war, war die ständige Veränderung. Das größte Tief konnte also auch nicht ewig andauern! 
Insgesamt habe ich in den letzten Monaten jede Menge gelernt – wenn auch  nicht gerade das, was ich erwartet habe… Ich habe viel über mich selbst, über Interkulturalität, über die Welt der Wissenschaft, Politik, Klimawandel und Gletscher gelernt. Ich wusste vor dem Praktikum doch noch nicht einmal, dass es so etwas wie Geopaleontologie überhaupt gibt, geschweige denn was das ist!
Das Wichtigste ist vielleicht, dass ich gelernt habe, den Widerspruch zu akzeptieren. Klar, hier herrscht das absolute Chaos, das bestreitet keiner. Aber es funktioniert! Und das ist ja irgendwo das Wesentliche, oder?



 Mit einem weinenden und einem lachenden Auge sehe ich meinem Abflug aus Mexiko entgegen. Und ich freue mich auf zu Hause: auf Freunde, Familie, schlechtes Wetter und Thüringer Bratwurst!!

22. Februar 2011

und fast zum Schluss...


FERTIG!!

Ich habe heute meinen Arbeitsbericht beim Prof abgegeben!! Das heißt, ich bin mit der Arbeit so gut wie fertig! Außer ein paar Feinheiten ist die Website auch echt gut geworden… Und naja, ich hoffe sie wird auch gelegentlich von Wissenschaftlern und der Allgemeinheit genutzt…




UND DOCH… haben sie’s geschafft

Ja, ich muss zugeben, dass sie (die Mexikaner) es am Ende doch geschafft haben, mir gehörig Angst einzujagen.  Mexiko ist das gewaltsamste Land der Welt, und ja, das merkt man nicht nur in den Nachrichten… Ich habe ein paar Grundregeln eingehalten, bin nachts nicht allein auf der Straße rumgelaufen, habe keine dubiosen Taxis genommen und gewisse Landes- und Stadtteile gemieden.  Vielleicht deshalb, vielleicht weil ich einfach Glück hatte ist mir nie etwas passiert. Auch jetzt nicht, als ich doch mal einen Ausflug in den „gefährlichen Norden“ gemacht habe. San Luís Potosí liegt nicht wirklich im Norden des Landes und gehört bestimmt auch nicht wirklich zu den gefährlichsten Gegenden. In letzter Zeit hat sich die Lage dort jedoch etwas zugespitzt. Die Narcos [im Prinzip die mexikanische Mafia: Drogenkartelle, Menschenschieber &Co] haben wohl gerade im Osten der Provinz in letzter Zeit mehrere Leute entführt und Lösegeld erpresst. Als ich das dann rausgefunden hatte, habe ich meine geplante Weiterreise in die Huasteca -eines der schönsten Gebiete weit und breit- doch lieber abgesagt…
Von dem verkürzten Trip kann ich allerdings nur tolle Geschichten erzählen: ein Pferdeausflug in der Wüste zum heiligen Berg der Huicholes [„Indianerstamm“], Morgenstimmung im Geisterdorf und ein Kayakausflug auf einem türkisblau schimmerndem glasklaren Quellsee…



14. Februar 2011

Cuetzalan: Ein Name. Ein Ort. Ein Traum.


Das unaussprechliche Wort Cuetzalan steht schon lange in meiner to-go-to- Liste. Im Bergregenwald gelegen, trachtentragende Einheimische füllen die Kopfsteinpflasterstraßen mit Leben und  das Aroma von Kaffee und Vanille erfüllt die Straßen… Wer hat mir nicht alles von diesem kleinen magischen Dörfchen vorgeschwärmt! Und wie oft hatte ich mir schon vorgenommen, übers Wochenende dorthin zufahren? Jetzt,  endlich habe ich diese Wunschreise Wahrheit werden lassen. Letztes Wochenende, zusammen mit Patrick, einem Couchsurfer, habe ich das Abenteuer gestartet. Und was für ein Abenteuer!



Treffpunkt: Palacio de Bellas Artes, 20 Uhr. Ich kam zu spät, Patrick auch. Aber das machte nix, denn Uriel, den ich bei KLIMAFORUM kennengelernt hatte, lief mir über den Weg! Ich hätte mir nie vorstellen können, dass man in Mexiko-City jemanden zufällig auf der Straße treffen kann. Aber an diesem Abend, habe ich drei Bekannte getroffen… Uriel war mit ein paar Freunden da, die zum chinesischen Neujahrsfest unterwegs waren. Patrick und ich haben uns kurzer Hand dem Trupp angeschlossen und so ein bisschen China erlebt: Glückskekse, rotgoldene Lampions, tanzende Drachen und Feuerwerk.

Eigentlich wollten wir den letzten Direktbus vom Busbahnhof TAPO nach Cuetzalan nehmen. Ich war mir verdammt sicher, dass wir dazu bis zur Metrohaltestelle Observatorio fahren müssen. Naja, ich lag falsch… Das hat uns ein netter Ticketverkäufer ziemlich schnell erklärt. Unser Bus fuhr am anderen Ende der Stadt… Da wir den Bus, als wir tatsächlich bei der TaPO ankamen, natürlich verpasst hatten, haben wir Tickets nach Puebla gekauft und sind dorthin gefahren. Von Puebla gibt es immerhin öfters Busse nach Cuetzalan. Aber eben auch nicht um 3 Uhr nachts. Der erste fuhr um halb sieben ab… Diese Nacht im Busterminal wurde eigentlich nur durch die Dame erheitert, die auf ihren Regenschirm gestützt, mexikanische Zeichensprache erklärt hat.  Sie hat sogar pantomimisch vorgemacht, wie man einen taco isst: tortilla in die offene Hand legen, Füllung in einer Linie darauf verteilen und dann zusammenrollen. Zum Schluss ganz gesittet abbeißen; die Mexikaner essen zwar mit den Fingern, aber nicht wie die Tiere!

 Frühs um halb elf sind wir dann endlich angekommen. Und was gibt’s vom Dorf zu sehen? Nicht viel, denn es herrsche ziemlich dicker Nebel, sodass man kaum 10 Meter weit gucken konnte… Aber egal, erstmal Frühstücken gehen! Ich habe mich für die regionaltypischen Eier entschieden. Was mir dann serviert wurde, war schon etwas gewöhnungsbedürftig… Spiegelei auf tortilla mit Schokoladensoße übergossen! Diese Soße heißt mole und ist sowas wie die Nationalspezialität Mexikos. Jede Region hat ihre eigene Variante. Der berühmte mole poblano beinhaltet, neben 35 anderen Zutaten, auch Kakao. Er schmeckt süß und scharf und sauer und vollmundig und… alles zusammen…

Es folgte ein Ausflug zum vernebelten Wasserfall mit dem camioneta [hier: Pritschenwagen]. Und eine eiskalte Nacht. Ich hab mit zwei Jacken geschlafen und trotzdem gefroren!!


 Am Sonntag ist Markttag. Das heißt, die Indigenen aus den umliegenden Gemeinden kommen ins Dorf, um ihre Waren anzubieten. Zum Glück war es nicht mehr so neblig!  Sonst wäre es schwierig geworden, die Trachten genauer zu betrachten und Kaffee, Vanille, Chili etc. zu bewundern.  Sehr beeindruckend waren auch die sogenannten voladores, junge Männer, die erst um den Kirchturm hohen Pfahl in der Mitte des Platzes getanzt haben, dann hochgeklettert sind, eine Art Ritual gemacht haben, um zum Schluss kopfüber an Seilen den Pfahl umkreisend langsam zur Erde herunter geschwebt sind.



 Am Montag wollten wir uns dann andere Wasserfälle anschauen, auf dem Weg stellten wir allerdings fest, dass es die gleichen waren wie die, die wir am Samstag schon gesehen hatten. Wegen der veränderten Sichtverhältnisse (klare Sicht vs. Nebel) hatten wir es nicht eher bemerkt…  Glücklicherweise haben wir dann einen „Fremdenführer“ getroffen, der uns zu einem Wasserfall in den Wäldern geführt hat. Dazu sind wir die Steilhang-Kaffeeplantage heruntergeklettert (und dann auch wieder herauf). Dabei hab ich einiges über Kaffee erfahren, was ich noch nicht wusste. Z.B. dass man die rote Kaffeekirsche essen kann. Sie schmeckt süß und ziemlich lecker… Die Kaffeebauern verkaufen das Kilo Kaffee für 2 bis 11 Pesos [0,13 bis 0,71 €]. Oft ist der Gewinn minimal oder negativ, denn sie müssen ja auch noch die Erntehelfer bezahlen. Anschließend wird der Kaffee geschält, getrocknet (bis zu drei Monate in der Sonne), geröstet und gemahlen. Zum Schluss kauft man den Kaffee (bio) für ca. 120 Pesos [8 €].
                                                                                                                                                     
Es war ein Ausflug, der sich auf voller Breite gelohnt hat! Ich glaube, es war einer der schönsten Wochenendausflüge überhaupt!


11. Februar 2011

Oaxaca, Puebla, Orizaba und Rückkehr nach DF



Oaxaca war eigentlich nur ein Durchgangsstaat. Ich wollte mich mal kurz umsehen, weil alle sagen, dass es so schön wäre. Naja, manchmal haben alle doch recht... Nicht nur die Pazifikküste ist einen Besuch wert, auch die Hauptstadt und ihre Umgebung sind fantastisch.  



 Nach einer abenteuerlichen Fahrt von Comitán über San Cris, Juchitán und Pochutla, bin ich im kleinen Küstenort Zipolite angekommen. Mehrere Reisende hatten ihn mir wegen der Meeresschildkröten empfohlen. Aber erst hinterher wurde mir gesagt, dass es der einzige Nacktstrand von ganz Lateinamerika ist…
Die Atlantikküste ist zwar schön, aber die Pazifikküste ist aufregend! Hier gibt es Klippen, seltsame Felsformationen und man spürt die Macht der Wellen. Bei einem Ausflug zur Laguna Ventanilla –einem Süßwassersee am Strand- konnte ich Leguane und Kaimane im Mangrovenwald beobachten. Im Centro mexicano de la Tortuga [im mexikanischen Schildkrötenzentrum] habe ich etwas über Meeres- und Landschildkröten gelernt und den Rest der Zeit habe ich einfach in der Hängematte gelegen und gelesen. Wunderbar entspannend!
Weil es zwischen Neujahr und Weihnachten an der Küste sehr voll ist und die Hotels ein bisschen teuer sind, habe ich mich schließlich in den combi nach Oaxaca-Stadt gesetzt, um dort um 5 Uhr morgens dank einem Straßenkehrer ein Hostal zu finden… In Oaxaca habe ich nicht nur Schokolade erlebt (siehe das süße Gold aus Oaxaca), sondern auch alebrijes [mexikanische Fantasiefiguren], schwarze Keramik, den dicksten Baum der Welt und die Ruinenstadt Mitla und die Reste von Monte Albán, einer alten Zeremonienstadt, gesehen. Am meisten hat mich aber der Etnobotanische Garten und die Stadt selbst beeindruckt. Auffällig ist, dass es in Oaxaca fast keine hohen Gebäude gibt-wegen der Erdbebengefahr. Ansonsten ist die Stadt sehr kolonial geprägt, sehr sauber und fast jedes Haus hat eine andere Farbe. Die Kunst, die ich in Chiapas gesucht habe, habe ich in Oaxaca gefunden…








Ich wäre gern noch länger in Oaxaca geblieben! Aber ich war in Puebla mit Jorge verabredet. Jorge arbeitet beim gleichen Prof wie ich und ist ein recht guter Kumpel hier. Es war einfach toll,  von einem Freund in Empfang genommen zu werden! Auch die nächsten drei Tage, die ich mit ihm und seiner Familie verbracht habe, waren richtig schön. Wir haben uns die koloniale Altstadt angeschaut, haben einen Ausflug nach Tepexi gemacht (ein Halbwüstenort, wo es wahnsinnig guterhaltene Fossilien zu bestaunen gibt), er hat mir die Pyramide von Cholula (die evtl. die höchste von ganz Mexiko ist und auf der eine Kirche gebaut wurde) und ich habe die Tradition der heiligen drei Könige kennengelernt. Der 6. Januar wird hier in etwa so gefeiert wie bei uns Nikolaus. Die Kinder schreiben Wunschzettel und die Könige stecken Geschenke in die Schuhe. Auch mir haben sie was gebracht!! Was es bei uns so nicht gibt ist, dass sich die ganze Familie (das können wirklich viele Leute sein…) am Abend trifft und die rosca de reyes anschneidet. Das ist ein großer runder Kuchenkranz mit Trockenfrüchten. Der Witz ist, dass muñecos darin versteckt sind. Wer eines dieser kleinen Figürchen erwischt, muss dann am 2. Februar Tamales machen. Tamales sind Maisklöße, die in Blättern eingewickelt gedämpft werden. Meistens sind sie mit Fleisch, Käse der Chilistreifen gefüllt. Und sie sind wahnsinnig lecker! Es ist eine prähispanische Ritualspeise, die heute überall verkauft wird. Der 2. Februar wird übrigens mit den tamales gefeiert, weil da das neue prähispanische Jahr beginnt.





Von Puebla aus bin ich weiter nach Orizaba gereist, wo ich Alan von Klimaforum getroffen habe und noch ein paar schöne Tage vor der Rückkehr nach Mexiko-city verbracht habe.

Ich dachte schon "oh Gott", als ich -nach 6 Wochen Provinz- der gelben Smogglocke immer näher gekommen bin. "Wie soll ich bitte die nächsten 2 Monate noch diese Drecksluft atmen?!" Schon bei der Ankunft fand ich erstmal alles wieder zu viel- zu viele Leute, zu viele Autos, zu viel Geschreie. Besonders in den ersten Tagen habe ich ein echtes Wechselbad der Gefühle erlebt: "Okay, die metro ist zwar brechend voll und die Verkäufer schreien dir die Ohren kaputt, aber ist doch ganz witzig wen man hier so alles sieht!" Dachte ich - bis ich das nächste Mal 3 Stunden von A nach B gebraucht habe...
Das ist eben das Verrückte mit Mexiko-city: manchmal findest du die Stadt eigentlich ganz nett, weil es viele tolle Dinge zu tun und zu sehen gibt. Einen Moment später verfluchst du die wahnwitzige Idee hierherzukommen, weil dich im Bus (der mit Vollgas-Bremse-Rhythmus im Feierabend-stop-and-go fährt) laute schlechte HipHopmusik, mehr Menschen als in einer Sardinenbüchse und Abgasluft erwartet. Und dann bleibt der Bus vielleicht Auch noch stehen, weil ihm das Benzin ausgegangen ist…